Die Sicherheit militärischer Liegenschaften in Deutschland steht zunehmend im Zentrum der öffentlichen Debatte. Recherchen von WDR und NDR haben offengelegt, dass selbst Mitglieder extremistischer Gruppierungen wie der sogenannten „Gruppe Reuß“ ungehindert Bundeswehrkasernen ausspähen konnten. Gleichzeitig warnen Sicherheitsbehörden vor einer wachsenden Bedrohungslage durch russische Spionageaktivitäten, Sabotage und hybride Angriffe. Die Frage drängt sich auf: Wie zuverlässig sind die Schutzmechanismen der Bundeswehr-Liegenschaften wirklich?
Militärische Sicherheitsbereiche – Anspruch und Realität
Kasernen und Depots sind rechtlich klar als militärische Sicherheitsbereiche definiert. Dort gelten besondere Vorschriften: Unbefugtes Betreten ist verboten, Verstöße können strafrechtlich verfolgt werden, und das Wachpersonal ist befugt, unmittelbaren Zwang anzuwenden – bis hin zum Schusswaffengebrauch. Wer Drohnen über solche Bereiche fliegen lässt, riskiert Bußgelder von bis zu 50.000 Euro oder strafrechtliche Konsequenzen.
Doch diese Maßnahmen entfalten nur Wirkung, wenn sie in der Praxis auch durchgesetzt werden können. Ein Bußgeld bleibt ein stumpfes Schwert, wenn Überflüge oder Ausspähversuche unentdeckt bleiben.
Effektive Durchsetzung erfordert nicht nur moderne Detektionssysteme, sondern auch die Fähigkeit, Drohnen aktiv abzuwehren – etwa durch Funkstörer, Netzwurfgeräte oder in Einzelfällen auch kinetische Effektoren. Nur die Kombination aus frühzeitiger Erkennung und unmittelbarer Wirkung kann verhindern, dass fremde Systeme ungestört sensible Daten sammeln.
Zivile Sicherheitsdienste – schwaches Glied in der Kette?
Ein wesentlicher Teil der Bewachung liegt nicht in den Händen von Soldaten, sondern von zivilen Sicherheitsdienstleistern. Grundlage hierfür sind § 34a der Gewerbeordnung und das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges (UZwGBw). Diese regeln zwar Zuverlässigkeit, polizeiliches Führungszeugnis und eine Sachkundeprüfung – doch die Anforderungen bleiben im Vergleich zu militärischen Standards gering.
Während Soldaten intensiven körperlichen, medizinischen und regelmäßigen Schießausbildungen unterzogen werden, müssen auch zivile Wachkräfte regelmäßig an Schießtrainings teilnehmen. Diese sind jedoch auf ein Mindestmaß beschränkt und stehen in keinem Verhältnis zur intensiven Schießausbildung von Soldaten – insbesondere aus kämpfenden Truppenteilen.
Hinzu kommt die Frage nach der tatsächlichen Wirksamkeit der eingesetzten Kurzwaffen, die im Ernstfall nur eingeschränkte Möglichkeiten bieten. Kritiker warnen daher, dass die Bundeswehr sich in zentralen Schutzaufgaben auf Kräfte verlässt, deren Ausbildungs- und Ausrüstungsniveau deutlich unter dem militärischen Standard liegt.
Spionage, Drohnen und hybride Angriffe
Die Bedrohungslage ist komplexer geworden. Der Verfassungsschutz spricht von einer deutlich erhöhten Gefährdung durch Spionage, Sabotage und Desinformation. Parallel dazu häufen sich illegale Drohnenüberflüge über Bundeswehrstandorte – teils mit mutmaßlichen Verbindungen nach Russland. Solche Überflüge ermöglichen es, Bewegungen, Waffenlager oder logistische Routen aus der Luft zu beobachten, ohne die Kasernenzäune überhaupt zu überwinden.
Auch die zivile Infrastruktur ist betroffen: In der Übung „LÜKEX 2023“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wurde simuliert, wie koordinierte Cyberangriffe auf Energie- und Datennetze die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte unmittelbar beeinträchtigen. Damit verschwimmt die Grenze zwischen zivilen und militärischen Zielen – ein Kernelement hybrider Kriegsführung.
Der Fall Lebach als Mahnung
Ein historisches Beispiel verdeutlicht, wie gravierend die Folgen unzureichender Sicherung sein können. 1969 drangen Täter in das Munitionsdepot Lebach im Saarland ein, töteten vier Soldaten und entwendeten Waffen.
Der Vorfall gilt bis heute als Mahnmal für die Verwundbarkeit militärischer Einrichtungen im Inland. Angesichts heutiger hybrider Bedrohungen stellt sich die warnende Frage: Wäre die Bundeswehr mit ihren heutigen Strukturen wirklich in der Lage, einen vergleichbaren Angriff zuverlässig abzuwehren?
Ansatzpunkte für mehr Sicherheit
Die Bundeswehr hat mit Gefährdungsstufen (Alpha bis Delta) ein System, um den Schutz ihrer Liegenschaften an die jeweilige Bedrohungslage anzupassen. Doch auch dieses System funktioniert nur, wenn Personal und Technik den gestellten Anforderungen entsprechen.
Erforderlich ist nicht nur eine umfassende Modernisierung der physischen Sicherheit, sondern auch der konsequente Einsatz von Drohnendetektion und CUAV-Systemen, die nicht nur warnen, sondern Angriffe unmittelbar beenden können.
Gleichzeitig müsste die Qualifikation des zivilen Wachpersonals deutlich angehoben werden, mit verpflichtenden Fitness- und Schießtests, die militärischen Standards entsprechen. Und schließlich braucht es eine engere Kooperation zwischen MAD, Polizei und Verfassungsschutz, damit Bedrohungen nicht nur dokumentiert, sondern in Echtzeit bekämpft werden können.
Fazit zur Bedrohungslage
Die Bundeswehr verfügt über ein klares Regelwerk und erhebliche Befugnisse, um ihre Liegenschaften zu sichern. Doch die Realität zeigt: Spionage durch Drohnen, hybride Angriffe und mögliche Sabotageversuche machen klassische Schutzkonzepte angreifbar.
Solange ein Großteil der Kasernen von zivilen Dienstleistern bewacht wird, deren Qualifikation weit hinter den militärischen Standards zurückbleibt, bleibt die Kernfrage bestehen: Reicht dieses Niveau wirklich aus, um militärische Sicherheit zu garantieren – oder bleibt es bei Abschreckung auf dem Papier, während in der Praxis wirksame Abwehr fehlt?
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