Firehawk holt europäischen Investor – 3D-Druck für NATO-Lieferketten

Mit einer überzeichneten Finanzierungsrunde in Höhe von 60 Mio. US-Dollar rückt Firehawk Aerospace ins Zentrum der internationalen Verteidigungsindustrie. Das US-Unternehmen, das sich auf additive Fertigung von Treibstoffen und Raketenantrieben spezialisiert hat, konnte mit Presto Tech Horizons (PTH) erstmals einen europäischen Investor gewinnen. PTH, ein Joint Venture zwischen Presto Ventures und der tschechischen Czechoslovak Group (CSG), verbindet Risikokapital mit industrieller Schlagkraft. Die Beteiligung gilt als Signal für eine Entwicklung, die weit über Finanzierungsfragen hinausgeht: Europa will nicht länger nur Kunde amerikanischer Energetik-Kapazitäten bleiben, sondern sich stärker in die Wertschöpfungskette einbringen.

Hot-fire-Test des Firehawk-Antriebs – statischer Brennversuch zur Leistungsüberprüfung des additiv gefertigten Raketenantriebs.
Hot-fire-Test des Firehawk-Antriebs – statischer Brennversuch zur Leistungsüberprüfung des additiv gefertigten Raketenantriebs.
Foto: Firehawk

Der zentrale Flaschenhals westlicher Rüstungsproduktion sind Energetika – die chemischen Treibstoffe, die Raketen, Flugkörper und Artilleriemunition antreiben. In der bisherigen Herstellung werden diese Stoffe in Formen gegossen und über Wochen hinweg ausgehärtet. Der Prozess ist nicht nur langsam, sondern auch gefährlich und unflexibel. Firehawk setzt hier mit 3D-Druck an und will die Logik der Produktion grundlegend verändern.

Vom Zwei-Monats-Prozess zur Produktion „on demand“

„Wir haben einen 60-Tage-Prozess auf sechs Stunden reduziert“, erklärte Will Edwards, CEO von Firehawk Aerospace, im Gespräch mit Defence Network. Er verweist darauf, dass mehr als 95 Prozent der bisherigen Herstellungszeit allein durch den Aushärtungsprozess verloren gehen. Firehawk hingegen entwickelt einen eigenen Feedstock aus Pellets, der eine deutlich längere Haltbarkeit aufweist und nahezu ohne Aushärtung auskommt. „Das erlaubt uns, praktisch auf Abruf zu drucken – so viel oder so wenig wie nötig, mit minimalem Abfall.“

Die Konsequenzen für die Verteidigungsindustrie wären tiefgreifend: Statt monatelang Produktionslinien hochfahren zu müssen, könnten Treibstoffe künftig flexibel dort entstehen, wo sie gebraucht werden – in zentralen Werken oder, in kleinerem Maßstab, näher an den Einsatzorten.

Flexibilität für unterschiedliche Waffensysteme

Neben der Geschwindigkeit ist es vor allem die Anpassungsfähigkeit, mit der Firehawk seine Technologie positioniert. „Wir können Propellants für verschiedene Geometrien und Schubprofile herstellen und sogar mehrere Geometrien drucken, ohne die gesamte Fertigungslinie umzurüsten“, so Edwards. „Das macht uns schnell und reaktionsfähig – unabhängig vom System, ob Artillerie, Raketen oder Lenkflugkörper – und erlaubt uns, sofort auf neue Anforderungen zu reagieren.“

Gründer und CEO Will Edwards präsentiert sein 3D-gedruckte Antriebselement.
Gründer und CEO Will Edwards präsentiert sein 3D-gedruckte Antriebselement.
Foto: Firehawk

In einer Zeit, in der Streitkräfte immer häufiger mit unerwarteten Bedarfsspitzen konfrontiert sind, könnte diese Flexibilität entscheidend sein. Während konventionelle Hersteller meist auf eine bestimmte Munitionsart spezialisiert sind, könnte Firehawk eine Art „modulare Fertigung“ für unterschiedliche Einsatzszenarien bieten. Für die NATO, die derzeit mit leeren Beständen und langwierigen Nachbeschaffungsprozessen ringt, wäre dies eine spürbare Erleichterung.

3D-Druck des Festtreibstoffs getreu dem Firmenmotto: „Firehawk Aerospace doesn’t buy fuel. They 3D print it.“
3D-Druck des Festtreibstoffs getreu dem Firmenmotto: „Firehawk Aerospace doesn’t buy fuel. They 3D print it.“
Foto: Firehawk

Exporthürden und regulatorische Fragen

So vielversprechend die Technologie klingt, so klar ist auch, dass ihre Einführung in Europa nicht allein von technischen Faktoren abhängt. Auf die Frage nach regulatorischen Hürden sagte Edwards gegenüber Defence Network: „Wie alle Rüstungsprodukte unterliegt Firehawk der ITAR-Überprüfung. Wir freuen uns auf die Möglichkeit, diese Fragen gemeinsam mit der US-Regierung zu klären.“

Die US-Exportkontrollen sind ein zentrales Thema: Sie könnten bestimmen, ob Firehawk-Produkte in Europa produziert werden dürfen oder ob die Fertigung zunächst in den USA verbleiben muss. In jedem Fall zeigt die Haltung des Unternehmens, dass es bereit ist, diesen Prozess aktiv zu gestalten und Wege zu suchen, um europäische Partner einzubinden.

Europäische Produktionsoptionen und NATO-Beschaffung

Genau hier setzt der neue Investor an. Matej Luhovy, Partner bei Presto Tech Horizons, machte gegenüber Defence Network deutlich, dass es um mehr als Kapital geht: „Unser strategischer Partner CSG verfügt bereits über mehrere Produktionsstandorte in Europa. Wir prüfen derzeit, wie Firehawk hierzulande produzieren kann – sei es über Lizenzvereinbarungen, Joint Ventures oder andere Modelle.“

Eine mögliche europäische Fertigung würde nicht nur Lieferwege verkürzen, sondern auch die politische Unabhängigkeit stärken. Luhovy betonte, dass die Anbindung an NATO-Strukturen dabei ein Schlüsselfaktor sei: „Kompatibilität mit den Beschaffungsrahmen der NATO ist für uns ein kritischer Faktor. Gründer müssen in der Lage sein, ihre Technologien so zu strukturieren, dass sie den Rahmenbedingungen entsprechen.“

Damit adressiert Presto einen der Kernpunkte, an dem viele Verteidigungs-Start-ups bislang scheitern: Sie entwickeln interessante Technologien, doch ohne Anschluss an die komplexen NATO- und EU-Beschaffungsprozesse bleiben diese auf Demonstrator-Level stecken.

Will Edwards (2. von links) und sein Team beim Testaufbau des Antriebs, Rücksprache und Datenerhebung vor dem Start.
Will Edwards (2. von links) und sein Team beim Testaufbau des Antriebs, Rücksprache und Datenerhebung vor dem Start.
Foto: Firehawk

Strategische Abhängigkeiten als Weckruf

Noch deutlicher wurde Luhovy mit Blick auf die geopolitische Lage: „Die USA haben derzeit erhebliche Rückstände in der Wiederauffüllung von Raketen und Munition, und nur eine Handvoll Unternehmen ist in der Lage, diese Nachfrage zu bedienen. Europa, das sich lange auf US-Kapazitäten verlassen hat, befindet sich dadurch in einer kritischen Lage: amerikanische Zulieferer konzentrieren sich auf den eigenen Bedarf, während europäische Bestände erschöpft sind. Das ist ein weiterer Weckruf, endlich stärker in die eigene industrielle Basis zu investieren.“

Seine Worte machen deutlich: Firehawk ist nicht nur ein Investment, sondern Teil einer größeren industriepolitischen Strategie. Die Frage, wie Europa künftig seine Abhängigkeit von den USA reduzieren und gleichzeitig die transatlantische Partnerschaft stärken kann, wird zunehmend an den Lieferketten für Munitionskomponenten entschieden.

Flugversuch einer Rakete mit Firehawk-Festtreibstoff zur Demonstration der Motorintegration.
Flugversuch einer Rakete mit Firehawk-Festtreibstoff zur Demonstration der Motorintegration.
Foto: Firehawk

Ausblick

Mit Firehawks Technologie rückt erstmals eine Lösung in greifbare Nähe, die Geschwindigkeit, Flexibilität und Sicherheit in der Treibstoffproduktion kombiniert. Ob Europa davon tatsächlich profitieren wird, hängt nun von regulatorischen Weichenstellungen, Investitionsentscheidungen und industriellen Partnerschaften ab. Mit Presto Tech Horizons als Brücke zwischen amerikanischer Innovation und europäischer Industrie ist zumindest ein erster Schritt getan.

Für die NATO und ihre Mitgliedstaaten könnte sich damit eine neue Option eröffnen: Weg von starren Lieferketten und Engpässen, hin zu einer flexibleren, resilienteren und im Ernstfall auch dezentralen Produktion. Ob diese Chance genutzt wird, entscheidet sich in den kommenden Jahren – und könnte maßgeblich über die Handlungsfähigkeit Europas in einem langwierigen Konflikt bestimmen.

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